«Die Religionsfreiheit wird zunehmend eingeschränkt»

Sri Lanka: Die HMK konnte drei Personen aus der verfolgten Kirche in Sri Lanka interviewen. Pastor Saveen*, Anwalt Ashan* und Rechtsberaterin Thilina*.

Könnt ihr uns eine kurze Einführung zu Sri Lanka geben?
Ashan: Sri Lanka hat drei Jahrzehnte Bürgerkrieg hinter sich. Nach dessen Ende im Jahr 2009 nahmen der buddhistische Nationalismus und die Gewalt gegen religiöse Minderheiten zu. Seit 2015 gibt es zudem Spaltungen innerhalb der Minderheiten und einen Anstieg des Extremismus unter Muslimen und Hindus.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf Sri Lanka?
Saveen: Vor allem arme Menschen leiden darunter und haben es schwer, genug Essen zu finden. Viele Kinder und arbeitende Eltern sitzen in ihren sehr kleinen Häusern fest und deshalb hat die häusliche Gewalt zugenommen. Die Nation Sri Lanka ist pleite. Es herrscht grosser Mangel an Treibstoff und Importwaren. Zusätzlich hat die neue Regierung von heute auf morgen beschlossen, zur biologischen Landwirtschaft zurückzukehren und die Einfuhr von künstlichen Düngern zu stoppen. Dadurch sind die Ernten enorm zurückgegangen und viele Lebensmittel wie Gemüse und Reis sind um bis zu 40 % teurer geworden. 2022 wird ein sehr schwieriges Jahr.

Wie würdet ihr die Reaktion der Menschen darauf beschreiben?
Ashan: Ich würde sagen, dass viele von ihnen dagegen ankämpfen. Bauern gehen auf die Strassen. Lehrer protestieren wegen Problemen im Bildungssystem. Wir sind eine widerstandsfähige Nation. Selbst nach dem Tsunami im Jahr 2004 berichteten die Medien, dass in keinem anderen Land die Menschen so schnell wieder auf die Füsse kamen.

Würdet ihr also sagen, dass die Pandemie die Stärke des Volks offenbart hat? Könnte sie auch positive Veränderungen bewirken?
Ashan: Ich denke, ja. Aber es gibt auch eine sehr traurige Seite. Wie in jedem Land leiden die Armen und Randständigen am meisten.

Saveen: In den Dörfern unterstützen sich die Nachbarn gegenseitig, ähnlich wie nach dem Tsunami. Darauf können wir stolz sein.

Thilina: Die Menschen sind auch innovativ geworden. Wegen des Treibstoffmangels kommen z. B. alternative Methoden des Kochens auf.

Saveen: Und mehr lokale Produkte kommen auf den Markt. Die Tonindustrie wurde z. B. früher vernachlässigt, aber jetzt, da die Billigimporte aus China gestoppt sind, verwendet man wieder Tontöpfe zum Kochen.

Wie geht es der Kirche in Sri Lanka?
Thilina: In den letzten Jahren hat der Staat die Religionsfreiheit zunehmend eingeschränkt. Die Gemeinden werden aufgefordert, sich zu registrieren, obwohl es kein Gesetz dazu gibt. Zusätzlich erhalten sie immer öfter Besuch von Staatsbeamten, die Fragen zu den Mitgliedern, den Finanzen und den Gottesdienstabläufen stellen.

Ashan: Weitere Trends in letzter Zeit sind Hassreden, Verleumdungen und Diffamierungen. Anfang 2021 wurde ein Antikonversionsgesetz vorgeschlagen, das sogar vom Erzbischof von Colombo aus der römisch-katholischen Kirche unterstützt wurde.

Saveen: Nichtsdestotrotz möchten wir Gott für das danken, was er in den Gemeinden tut. Viele Gemeinden sind gewachsen, obschon sie sich nicht treffen können. Sie engagieren sich stärker in ihren Nachbarschaften und helfen, wo Not ist. Da nun vieles in den Häusern stattfindet, ist die Leiterschaft ausgeweitet worden, wobei die meisten neuen Leitpersonen Frauen sind.

Falls das Antikonversionsgesetz umgesetzt wird: Was würde das für die Christen bedeuten?
Ashan: In unserem Land werden gute Gesetze schon heute auf eine schlechte und diskriminierende Art benutzt.

Thilina: Wenn Staatsbeamte die Gemeinden besuchen, fragen sie häufig nach der früheren Religion bestimmter Mitglieder. Das deutet darauf hin, dass das Antikonversionsgesetz bald Realität werden könnte. Auch wenn der Wortlaut vage ist, wird es sehr wahrscheinlich vor allem gegen Minderheiten eingesetzt werden.

Habt ihr Beispiele dafür, wie die Menschen trotz Unterdrückung stark geblieben sind?
Saveen: Zwei Frauen , die Mitmenschen von Jesus erzählten, wurden beschuldigt, ein Bordell zu betreiben. Mitten in der Nacht wurden sie in ihren Nachtkleidern zur Polizei gebracht. Doch sie sind in ihrem Dorf geblieben und nun gibt es dort zwei Gemeinden.

Ashan: Als ein Grossvater starb, wollte ihn seine Familie auf dem öffentlichen Friedhof beerdigen. Aber ein hinduistischer Mob von etwa 200 Leuten kam auf sie zu und sagte ihnen, dass sie ihn nur beerdigen dürften, wenn sie wieder zum Hinduismus zurückkehrten. Die Grossmutter ist über 80 und doch gab sie nicht nach. Danach mussten sie den Leichnam 20 Kilometer weit transportieren, um ihn zu begraben.

Was können die Gemeinden in der Schweiz von euch lernen? Und was brauchen die Gemeinden in Sri Lanka am meisten?
Saveen: Eine Sache, die wir beitragen können, denke ich, ist unsere Widerstandsfähigkeit. Und die Kosten der Nachfolge. Was wir am meisten brauchen, sind eure Gebete und eure moralische wie auch finanzielle Unterstützung in dieser schwierigen Zeit. Und ihr könnt eine Stimme für uns sein, damit mehr Menschen von unseren Herausforderungen erfahren. Das wäre eine grosse Hilfe.

*Symbolbild, Namen von der Redaktion geändert.